Eine Geschichte der Bildkünstlerrechte gibt es, soweit ersichtlich, bisher nicht. Die Entwicklung von Bildkünstlerrechten als Urheberrechten kann nicht losgelöst von der Entwicklung der Buchdruckerkunst, den Nachdruck-, Nachbildungs-, Vervielfältigungs- und Kopierrechten gedacht werden, die zunächst vor allem für die graphischen Künste eine Bedeutung gewannen, dann aber auch von Malern aufgegriffen wurden, um ihre Werke überhaupt bekannt zu machen. Sie kann nicht losgelöst von dem Selbstverständnis von KünstlerInnen und der Wertschätzung gedacht werden, die eine Gesellschaft ihren KünstlerInnen gewährt, gedacht werden. Und sie kann nicht losgelöst von geistigen Strömungen und deren Strategien der Aneignung von Motiven und Darstellungsformen gedacht werden.

Ein bedeutsames Auseinanderlaufen von Rechtsinteressen ist ab dem Zeitpunkt zu erkennen, ab dem industrielle, allgemein kommerzielle und eigenschöpferische Anliegen zur Verknüpfen gelangen oder sich als unvereinbar erweisen.  

Der Schöpfungsbegriff in seiner Verallgemeinerbarkeit steht durch wirtschaftliche und politische Entwicklungen auf dem Prüfstand.

Bildende KünstlerInnen, die Werke schaffen, die ihrer Natur nach nur im Unikat des Originals ihren vollen Bedeutungsgehalt repräsentieren, unterliegen besonderen Konflikten, die nur unzureichend erfasst werden, wenn man diese mit denjenigen Konflikten auf eine Stufe stellt, die sich aus einer Weggabe von Manuskripten, von Handschriften, von Autographen zu Vervielfältigungszwecken ergeben können.

Die Einsicht, dass ein Regelsystem am ehesten einen breiten „Innovationsschub“ hervorbringen kann,  dass UrheberInnen von Neuschöpfungen an deren Nutzung zu beteiligen sind, ist eine Einsicht, die im Bereich der Bildenden Kunst nur bedingt passt und im Übrigen bis heute noch keine überzeugenden Rechtskonstruktionen hervor-gebracht hat. Der Begriff der Nutzung ist in diesem Bereich noch vollständig unge-klärt, bedenkt man, dass die visuellen Künste nicht nur die visuellen Sinne, sondern durchaus auch die taktilen und auditiven Wahrnehmungsorgane ansprechen, nicht anders als dies auch die Literatur und die musikalische Komposition tun, denen in der Entwicklung von Urheberrechten durch die wirtschaftlichen Interessen von Verlegern eine Vorreiterstellung zukommt.

Der Gedanke des Innovationsschubes, der durchaus als allzu gebrauchsbezogen kritisiert werden kann, ist nur ein Aspekt, aus dem heraus Urheberrechte auch für Bildende KünstlerInnen von allgemeinem Interesse sein können, sollten und müssten. Einen wichtigen Teil der visuellen Künste stellten schon immer Werkschöpfungen dar, die der Erinnerungskultur dienten und dienen, als dokumentarische Beschreibungen eines Volkes, einer Nation, einer Person, gesellschaftlicher Gruppierungen, wesentlicher Ereignisse einer bestimmten Zeit und als Ausdruck des Lebensgefühls dieser Zeit.  Das gilt für alle klassischen Bildgattungen, wie für das Portrait, für das Historiengemälde, für Genrearbeiten und selbst für Landschaften und Stilleben. Das gilt auch für die Bildhauerei und die neueren Ausdrucksformen der Fotografie und des Filmes. Das Schicksal einzelner Werke dokumentiert zugleich das Verhältnis einer Zeit zu ihren KünstlerInnen, hinsichtlich des Respekts vor ihrer Eigenart, vor ihrer analytischen Schilderung dessen, was sie gesehen und wahrgenommen haben. Die geistigen Inhalte waren Bestätigung einer Zeit oder Kritik. Sie wurden aus Machtinteressen respektiert oder zensiert.

Bildkünstlerrechte garantieren vor allem einen Bereich ungestörten und geachteten Schöpfens, Veröffentlichens, Ausstellens, Vervielfältigens und Verbreitens, in dem „Freibeuterei“, wie Goethe es nannte, ausbeuterische Ausübung von Druck und Zwang und eine Schnäppchenmentalität als unethisch bzw. unsittlich gelten müssen.

Das Eigentümliche der bildnerischen Schöpfung liegt, wie in jeder anderen schöpferischen Tätigkeit, darin, dass Interessen der Außenwelt im schöpferischen Prozess ausgeblendet bleiben, solange ein Werk nicht das geistig-ästhetische Ideal seines Schöpfers erreicht hat und zur Veröffentlichung frei gegeben worden ist. Interessen der Außenwelt wirken störend und zerstörerisch bis hin zur Unterbindung des schöpferischen Prozesses. Anreize zur Veröffentlichung zu Lebzeiten kann es nicht geben, wenn die Veröffentlichung auf eine Gesellschaft trifft, die der Schöpfung, der Idee und Ausführung durch die Urheberin in der konkreten Gestaltung keinen Respekt entgegen bringt. Ein Anreiz zur Veröffentlichung und Ausstellung von Werken besteht eher in einer Atmosphäre geistiger Aufgeschlossenheit für neue Denk- und Wahrnehmungsansätze sowie neue Deutungen.

Respekt vor der schöpferischen Hervorbringung und Formen des Umgangs mit dem künstlerischen Angebot unterliegen erheblichen Herausforderungen in gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen Macher wirtschaftliche Bedürfnisse von Menschen mit Patentrezepten bedienen. Solche Herausforderungen manifestieren sich besonders deutlich in der Haltung, mit der einerseits originalen Unikaten und andererseits Auflagenwerken begegnet wird.

Die Möglichkeit zur konsequenten gestalterischen Verfolgung einer Idee setzt in wirtschaftlicher Hinsicht eine Absicherung des Lebensbedarfs in einer Weise voraus, die zeitliche Freiräume lässt.

Der Anreiz zur Veröffentlichung entfällt in wirtschaftlicher Hinsicht vollständig, wenn originale Unikate nach Veröffentlichung aus wirtschaftlichem Eigennutz gestohlen, nachgeahmt oder gegen den Willen des/r UrheberIn auch nur ein einziges Mal vervielfältigt werden.  

Die Historie hat gezeigt, dass es ein kompliziertes Geflecht von Interessen ist, in dem eigenschöpferische bildende KünstlerInnen gesellschaftliches Ansehen erringen und ihren Lebensbedarf erwerben konnten oder aber – ungeachtet eines hohen Niveaus ihrer Arbeiten – am sozialen Rand der Gesellschaft mit wenig oder gar keiner Anerkennung von Rechten eine Existenz in wirtschaftlicher Abhängigkeit zurechtkommen mussten.

In der Zeit der Privilegien waren es Adel, Kirche und Bürgertum, die sich ihre Künstler suchten, um ihrer Souveränität zusätzlichen Glanz zu verschaffen. Sie unterstützten solche, die sie wertschätzten. Das Privileg gewährte Schutz gegen Freiwilderei. Adel, Kirche und Bürgertum schlossen Künstler aus ihrem Schutz aus, die sie als gefährlich wahrnahmen.

Neben der Entwicklung bürgerlicher Freiheiten und der gedanklichen Fundierung von Persönlichkeitsrechten und geistigem Eigentum bis in das 19. Jhdt. und das 20. Jhdt. hinein brachte die Industrialisierung neuartige Konkurrenzen in die Gesellschaft. Die Industrie übernahm die Rolle des Souveräns, gegen den sich der einzelne Arbeiter und Angestellte zu behaupten suchte, um selbst Souveränität zu erringen. KünstlerInnen gerieten in Rollen, in denen  ihre Werke entweder für industrielle, also ökonomische Interessen oder für politische Interessen zur Verfügung stellen sollten. Der Schutz durch Privilegien wurde als Willkür im Verhältnis zu anderen gleichen Bürgern identifiziert. Dass bildnerische Gestaltungen wie jede andere Gestaltung auch auf Arbeit beruhen und als solche auch einen wirtschaftlichen Lohn beanspruchen können, geriet dabei vielfach aus dem Blick. Künstler wurden zu Projektionsfiguren für Freiheit und Reichtum. Die Realität des schöpferischen Lebens verlor die Bedeutung einer notwendigen Bezugsgröße, im Ergebnis zulasten desjenigen Künstlers, der sein Leben in den Dienst des Schöpferischen gestellt hat.   

Die Entwicklung eigener Urheberrechte der bildenden KünstlerInnen beginnt erst mit der Bildung von Künstlervereinigungen im Laufe des 19. Jhdts. Die solitäre Arbeitsweise von bildenden KünstlerInnen machte und macht es bis heute schwer, durch kollektives Zusammenwirken Positionen in die Politik bzw. in Gesetzgebungsverfahren einzubringen.

Die solitäre Arbeitsweise von bildenden KünstlerInnen machte und macht es bis heute schwer, durch kollektives Zusammenwirken Positionen in die Politik bzw. in Gesetzgebungsverfahren einzubringen.

Die Lage der BildkünstlerInnen in Hinsicht auf ihre Urheberrechte ist bis heute im Vergleich zu anderen Künsten unverändert rückständig, in Deutschland, aber auch international.

 

Gesetzesgeschichte

• Zeit der Privilegien

Die Nähe von Kunst und Religion wird in der Regula Benedicti, der Benediktus-Regel erkennbar. Ein geistliches Leben ist nach der Vorstellung Benedikts eine Kunst, eine ars spiritualis. Dementsprechend beschreiben die Metaphern 'ars', 'artificium', 'instrumenta' und 'officina' Elemente des geistlichen Lebens, den Weg der Askese. In der ursprünglichen Bedeutung meint die 'Askesis' die künstlerische Bearbeitung eines Gegenstandes, aber auch die leibliche Übung und geistige Schulung. Die Stoa sah die Askese als Einübung in die Tugend. Asketen sind also Übende, d.h. Menschen, die durch Übung ihre Lebensweise in einer bestimmten Richtung gestalten. Es ist von hier aus gesehen also nicht verwunderlich, dass die Askese bis heute ein wichtiger Begriff des künstlerischen Lebens ist. Alle Künste haben wie alle Wissenschaften ein je eigenes Ziel (telos) und eine je eigene Bestimmung (skepos). Wer eine Kunst (techne) lernen will, muss dieses Ziel und diese Bestimmung kennen. Es muss seine sämtlichen Handlungen diesem Ziel entsprechend ausüben. Dabei erfordert jedes Ziel selbstverständlich seine eigene ihm entsprechende Übung und Anstrengung.

• Zeit der ersten Gesetzesentwürfe im 19. Jahrhundert

• Zeit der Reformen und Regressionen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

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(Nr. 2778.) Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst.
                   Vom 19. Juni 1901.